Putin wusste, dass sein Treffen mit
Merkel, Poroschenko und Hollande in Berlin kein angenehmer Abend werden würde.
Was hat es gebracht, für die Ukraine und für Aleppo?
Russlands Präsident Wladimir Putin gibt am Morgen des 20. Oktober eine Pressekonferenz am Flughafen Berlin-Tegel, bevor er zurück Russsland fliegt. © Axel Schmidt/Reuters
Schon der Besuch an sich war
bemerkenswert. Präsident Putin kam für eine
lange Nacht nach Berlin, um über Russlands Konflikte und Kriege zu sprechen.
Über die Ukraine und Syrien. Es war Putins erster Deutschland-Besuch seit der
Krim-Annexion und der Offensive in der Ostukraine 2014.
Er wusste, dass es – trotz
Übernachtung im Hotel Adlon mit Blick aufs Brandenburger Tor – kein angenehmer
Abend im Kanzleramt werden würde. Merkel nannte es eine "sehr klare"
und "sehr harte Aussprache". Putin zog es vor, die Gespräche nicht
weiter zu charakterisieren.
Warum also kam der russische Präsident? Vielleicht,
weil in Berlin schon wieder über Sanktionen gegen Russland diskutiert wird, diesmal wegen Syrien.
Vielleicht, weil diese Debatte direkt vor dem
EU-Gipfel am heutigen Donnerstag stattfand, auf dem über solche Sanktionen
gesprochen werden könnte. Vielleicht auch, weil Putin die wachsende
internationale Kritik am Bombardement Aleppos abschwächen und Konsequenzen
verhindern will. Russland verkündet kurzfristige
Waffenpausen in Syrien, auch
wieder gestern Abend in Berlin.
Was also hat das Treffen mit Wladimir Putin gebracht,
für die Ukraine und für Aleppo?
Der Abend im Berliner Kanzleramt trug im
Diplomaten-Sprech den sperrigen Namen "Normandie-Format". Das heißt,
dass sich nicht nur Merkel und Putin trafen, sondern, dass der ukrainische
Präsident Petro Poroschenko und der französische Präsident François Hollande
dabei waren. Diese Runde kam zum ersten Mal im Juni 2014 zusammen. In Berlin
ging es darum, das Abkommen von Minsk zu retten, welches der Ukraine ihren
Wackel-Waffenstillstand beschert hat. Mehr ist bisher nicht herausgekommen. Wer
auf greifbare Ergebnisse erpicht ist, muss das Abkommen im Grunde als
Fehlschlag ansehen.
Die Waffenruhe, der erste von mehreren vereinbarten
Schritten, wird immer wieder gebrochen. Die schweren Waffen, obwohl längst
verboten, rollen von beiden Seiten irgendwie immer wieder an die Front vor.
Dieser Minsker Prozess ist deshalb so schwierig, weil
das Abkommen in einer Kriegsphase geschlossen wurde, in der die Ukraine vor der
entscheidenden Niederlage stand. Deshalb musste Petro Poroschenko akzeptieren,
dass im Minsker Ablaufplan nach der Waffenruhe zunächst lauter ukrainische
Zugeständnisse folgen, bevor die Russen ihren wesentlichen Beitrag leisten.
Konkret: Erst muss es ein Wahlgesetz geben, muss sich die Ukraine durch
Verfassungsänderungen dezentralisieren, sollen die
Separatisten unter diesen neuen Bedingungen wählen. Dann erst müssen die Russen
der Ukraine wieder die Kontrolle über ihre Ostgrenze zugestehen, über die bis
dahin munter der Nachschub für Moskau-treuen Separatisten laufen kann. Kein
Wunder, dass die Separatisten und die ukrainischen Streitkräfte die Waffenruhe
brechen, die Ukrainer nach OSZE-Beobachtungen in jüngster Zeit sogar häufiger.
Ein neues Bekenntnis zum Minsker Prozess
In der langen Nacht von Berlin kam nicht mehr heraus
als ein neues Bekenntnis zum "Minsker Prozess". Die Außenminister
sollen nun bis Ende November einen neuen Fahrplan für die politischen Fragen
des Abkommens ausarbeiten, um den Konflikt zu entschärfen. Poroschenko sprach
sogar von einer mit der OSZE abgestimmten bewaffneten Polizeimission der
Ukraine, aber die anderen drei verloren darüber kein Wort. Das ist
symptomatisch für Minsk.
Der Sinn der Gespräche im "Normandie-Format"
besteht so weniger darin, etwas langfristig Haltbares oder gar Frieden zwischen
Moskau und Kiew zu erreichen. Entscheidend ist, den heißen Krieg, der 2015 in
einer gefährlichen Niederlage der Ukraine zu enden drohte, einzufrieren. Dieser
Krieg hätte das Land zum Kollaps führen können. Seine unangenehmen Ergebnisse
werden so nicht umgekehrt. Wichtiger ist bisher nicht, was am Verhandlungstisch
erreicht, sondern was verhindert wird. Das ist furchtbar unbefriedigend, aber
besser als in Syrien.
Denn dort hat die "sehr klare" und
"sehr harte Aussprache" von Berlin zu nichts Greifbarem geführt. Putin nutzt im freien Luftraum über
Aleppo die Untätigkeit von US-Präsident Barack Obama, um in Syrien alles klar zu machen.
Es ist bemerkenswert, dass die Weltmacht USA Wladimir
Putin in Syrien viel weniger bremsen kann, als es der Mittelmacht Deutschland
im ukrainisch-russischen Krieg gelungen ist. Kurzfristige Waffenruhen in Aleppo
bringen der Bevölkerung wenig. Vor allem dann nicht, wenn sie ein wenig Hilfe
erhalten, um danach von einer bunkerbrechenden Bombe im Schutzkeller erwischt
zu werden.
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