Die Sanktionen
müssen fortgesetzt werden - so lange, bis Putin seinen Teil des Minsker
Abkommens erfüllt hat. Solange sind die Sanktionen, hoffentlich, ein
erfreuliches Zeichen europäischer Einigkeit.
Von Daniel Brössler
Vor zwei Jahren hat die EU nicht nur den russischen
Präsidenten Wladimir Putin überrascht, sondern auch sich selbst. Alle 28 Staaten, wiewohl in unterschiedlichem Maße
erschüttert durch den russischen Bruch des Völkerrechts in der Ukraine,
verständigten sich auf eine gemeinsame Antwort. Die EU verhängte spürbare
wirtschaftliche Sanktionen, die später mit dem Minsker Abkommen verknüpft
wurden. Die Umsetzung aller Vereinbarungen sollte durch Aufhebung von
Sanktionen belohnt, deren Missachtung durch Fortgeltung der Sanktionen bestraft
werden. Demnächst, wenn die Verlängerung der Sanktionen ansteht, muss die EU
entscheiden, ob sie diese Politik fortsetzt. Allerdings: Eine andere hat
sie nicht.
Die Ausgestaltung der Sanktionen ist von Anfang an dem
Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners gefolgt. Als maßlos empfundene
Strafmaßnahmen hätten in der EU keine Mehrheit gefunden. Die Sanktionen waren
also darauf ausgelegt, eine für den russischen Staat spürbare Wirkung zu
entfalten, ohne wirtschaftliche Verheerungen zu verursachen. Am spürbarsten für
russische Bürger sind ohnehin die von Moskau verhängten Vergeltungsmaßnahmen,
also der Stopp von Gemüse- und Obstimporten aus der EU. Auch die miserable wirtschaftliche
Lage in Russland ist nur zum kleineren Teil dem versperrten Zugang zu
internationalen Finanzinstrumenten geschuldet. Russland leidet unter dem
niedrigen Ölpreis und den von Putin verschleppten Reformen. Putin, der Meister
der Großmacht-Rhetorik, hat sein Land verwundbar gemacht.
Putin soll seinen Teil des
Minsker Abkommens umsetzen
Von den Gegnern der
Sanktionen wird die angebliche politische Wirkungslosigkeit vorgebracht. Doch
nach welchem Maßstab? 2014 hatte es so
ausgesehen, als wolle und könne Putin große Teile der Ost-Ukraine unter seine
Kontrolle bringen. Ein "Neu-Russland" sollte entstehen. Gescheitert
ist das am Mangel an willfährigen "Neu-Russen", an militärischer
Gegenwehr der Ukraine und, ja, auch an der von Putin so nicht erwarteten
Einigkeit des Westens. Weshalb sich, wer die Aufhebung der Sanktionen fordert,
schon fragen sollte, welches Signal er da eigentlich nach Moskau
senden will.
Das schwächste und moralisch
fragwürdigste Argument für eine Aufhebung der Sanktionen ist der Verweis auf
den wirt-schaftlichen Schaden, der in den Staaten der EU entsteht. Es
entspräche der Karikatur, die ausgerechnet Russlands korrupte Führung vom
angeblich so dekadenten Westen zeichnet, wegen entgangenen Profits
einzuknicken. Wenigstens die Politiker müssen jenes Verantwortungsgefühl für
Europas Friedensgefüge zeigen, das zu Putin pilgernde Konzernchefs vermissen
lassen. Ohnehin würden die alten Gewinne auch ohne Sanktionen auf absehbare
Zeit nicht wiederkehren. Russlands wirtschaftliche Krise ist zu tief.
Die EU hat in ihrer Antwort auf die
russische Aggression gegen die Ukraine also alles andere als überreagiert. Die
verhängten Sanktionen sind, da hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier
recht, nicht dazu da, Russland "in die Knie zu zwingen". Sie sollen
Putin lediglich dazu bewegen, seinen Teil des Minsker Abkommens umzusetzen.
Natürlich tragen einen Teil der Verantwortung dafür auch Regierung und
Parlament in Kiew - weshalb auch sie unter dem Druck der EU stehen. Wenn sich
aber im Westen die Lesart durchsetzte, im Donbass herrsche einfach ein
Bürgerkrieg mit zwei schuldigen Parteien, hätte Putin praktisch gewonnen.
Würden die Sanktionen, und sei es "schrittweise", aufgehoben, bevor
die Ukraine, wie in Minsk vereinbart, die Kontrolle über ihre Staatsgrenze
wiedererhält, wäre das aus Moskauer Sicht ein sicheres Zeichen, dass es vorbei
ist mit der europäischen Einigkeit. Den Preis hätten dann die Ukrainer
zu zahlen.
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