Wieder einmal enden die Außenminister-Gespräche über die Ukraine ohne Durchbruch. Der Friedensplan von Minsk ist längst gescheitert. Aber es gibt eben nichts anderes.
Es
ist noch immer ein Krieg
Es mag der Eindruck entstehen, so schlimm sei es alles nicht mehr – weil
die Kämpfe im Osten der Ukraine nicht mehr die Schlagzeilen dominieren. Doch
die Minsker Vereinbarungen, die im Februar vergangenen Jahres ausgehandelt
worden sind, haben keinen echten Frieden gebracht. Die großen Schlachten sind
vorbei, die Lage beruhigt, aber so häufig wie im April wurde die Waffenruhe in
der Ukraine seit Monaten nicht mehr verletzt. Erneuert wurde sie zwar zum orthodoxen
Osterfest Anfang Mai,
daraufhin gab es zunächst weniger Zwischenfälle.
Doch noch immer sterben Menschen, und die Beobachter der Organisation
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) berichten immer wieder von
Gefechten, nicht nur mit kleinem Kaliber. Schwere Waffen sind wieder näher an
der Front gesichtet worden, also auch in der Pufferzone, wo sie nach den
Minsker Vereinbarungen nichts verloren haben. Die UN haben inzwischen
mindestens 9.300 Tote auf beiden Seiten gezählt.
Es kann "auf Dauer so nicht
weitergehen"
Kurz bevor er sich mit seinen französischen, ukrainischen und russischen
Kollegen am Mittwoch in Berlin traf – inzwischen zum zwölften Mal in dieser
Sache –, musste Außenminister Frank-Walter Steinmeier festhalten: Es tut sich
nichts, "allenfalls millimeterweise" komme man bei der Umsetzung der Vereinbarungen
von Minsk voran. Längst sind alle Fristen verstrichen und in die unbestimmte
Zukunft verschoben. Es könne "auf Dauer so nicht weitergehen", sagte
Steinmeier, ohne klären zu können, wie denn dann. Schon die vorige
Ukraine-Runde der Außenminister in Paris vor zwei Monaten war frustrierend
gewesen. "Das Wetter war schlecht, und die Gespräche waren es auch",
sagte Steinmeier. In Berlin war das Wetter am Mittwoch exzellent, und die
Gespräche ... endeten nach drei Stunden quasi ohne brauchbare Ergebnisse. Maßnahmen
zur Sicherung der Waffenruhe? "Es sollte möglich sein, das demnächst
hinzukriegen", glaubt Steinmeier. Wenn sein ukrainischer Kollege Pawlo
Klimkin angesichts der Blockade fürchtet, der ganze Prozess werde nun
eingefroren, ist das dennoch nachvollziehbar.
Denn nicht nur die Waffenruhe und der Abzug schwerer Geschütze sehen in
der Realität anders aus als auf dem Papier. Für die meisten der 13 Punkte des
Friedensplans gibt es derzeit kaum Hoffnung. Der politische Prozess steht
still, konkrete Fortschritte aus den Arbeitsgruppen zur Umsetzung der
Vereinbarungen gibt es nicht. Niemand wagt es auszusprechen, dass Minsk
gescheitert ist, weil es das einzige Instrument zu sein scheint, den Krieg im
Zaum zu halten. Und einen neuen Plan wird es so schnell nicht geben.
Es wird vorerst so weitergehen
Der Druck, sich endlich zu bewegen, lastet derweil relativ einseitig auf
der Ukraine. Insbesondere geht es dabei um die vereinbarten lokalen Wahlen in
der Ostukraine – es braucht viel Fantasie, um sich dort derzeit eine freie und
faire Abstimmung vorzustellen, die nicht der Farce des Krim-Referendums
gleichkommt. Auch die geforderte Änderung der ukrainischen Verfassung, um den
Gebieten im Osten des Landes einen besonderen Status und mehr Mitsprache
innerhalb des Staates zu verleihen, ist noch eine Utopie. Dafür gibt es keine
Mehrheit im Kiewer Parlament, in der Bevölkerung ist sie ohnehin umstritten: Im
August vergangenen Jahres waren bei Ausschreitungen vor dem Parlament während
einer Debatte über die Reform mehrere Sicherheitskräfte getötet worden.
Die Ukrainer sind vor allem wütend, weil die Grenze zu Russland immer
noch nicht wieder unter ihrer eigenen Kontrolle ist – auch das gehört zum
Minsker Abkommen. Und während die ukrainische Regierung ihre eigene Krise zu überwinden
versucht, drängen Frankreich und Deutschland auf die Umsetzung der
Zugeständnisse, selbst wenn Russland seinen Teil nicht leistet.
Die "Separatisten" der selbst ernannten Volksrepubliken von
Donezk und Luhansk kämpfen im Osten des Landes seit 2014 gegen die ukrainische
Armee. Von Russland werden sie direkt mit Waffen und Kämpfern unterstützt –
mehr noch: Ihre Existenz ist ohne Moskau nicht denkbar. Daraus ergibt sich auch
das größte Problem der endlosen Verhandlungen zur Umsetzung des Minsker Plans.
Es ist eben kein innerukrainischer Konflikt, dessen Lösung es nur zu
vermitteln gilt, vielleicht mit ein wenig Druck und Einfluss von außen auf die
teilnehmenden Parteien. Es ist noch immer ein Krieg, den Russland seit der
völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der Invasion im Osten gegen die
Ukraine führt – und die Verhandlungsrunden sind genauso ein Teil dieses Kriegs
wie die an- und abschwellenden Gefechte im Donbass. Beides ist
dazu geeignet, die Ukraine zu destabilisieren.
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