"Die Ukraine tötet Journalisten", titelte am
Dienstag die in Russland populäre
Nachrichtenseite "Pravda.ru". Prawda heißt auf Russisch Wahrheit.
Aber mit den Fakten nimmt es die Prawda nicht so genau. Die Seite steht nach
Auffassung Moskauer Politologen der Kreml-Administration
nahe.
Im fraglichen Artikel schildert "Pravda.ru" detailliert eine
Bluttat in Kiew. Es geht um den brutalen Mord an einer "jungen, unabhängigen
ukrainischen Journalistin". Der Mörder habe der 26-Jährigen "drei
Kugeln in den Rücken geschossen". Der Name des Opfers sei Margarita
Walenko, Korrespondentin der staatlichen Nachrichtenholding "Russland
Heute". Die Webseite zitiert Aussagen von Verwandten der Toten, sie habe
seit vier Monaten Drohungen erhalten. Das Opfer hinterlasse zwei kleine Kinder.
Auch die
Nachrichtenagentur "Regnum" meldete den Mord. Der Chefredakteur hat
früher unter Wladimir Putin im
Kreml gearbeitet. "Regnum" schrieb, Walenko sei monatelang von
ukrainischen Nationalisten bedroht worden. Im Fall Warenko wusste die Agentur
darüber hinaus zu berichten, Freunde der Journalistin hätten "den ganzen
Tag Blumen und Kerzen" an den Tatort gebracht.
Die Meldung
machte schnell die Runde: Der TV-Sender Ren-TV griff das vermeintliche Attentat
auf. Das Millionen-Blatt "Moskowski Komsomolez" berichtete. Die kremltreue
Boulevardzeitung "Komsomolskaja Prawda" erinnerte, dass in Kiew schon
"im April der bekannte Journalist Oles
Busina erschossen wurde".
Es gab nur
ein Problem: Bei der angeblich erschossenen Reporterin Walenko handelt es sich
um ein Phantom.
Die Kiewer
Polizei meldete sich mit dem Hinweis zu Wort, über den "Tod von
Journalisten, darunter Frauen", lägen keinerlei Informationen vor. Mehr
noch: Auch der vermeintliche Moskauer Arbeitgeber der Journalistin,
"Russland Heute", konnte die Tat nicht bestätigen. Eine Reporterin
namens Margarita Walenko sei im Hause nicht bekannt.
Falschmeldungen
in russischen Medien
Es ist nicht
die einzige Falschmeldung, derer sich russische Medien in den letzten Wochen
bedienten. Seit Anfang Juli kursiert auf kreml-nahen Webseiten ein Schreiben,
in dem US-Senator Dick Durbin dem ukrainischen Premierminister vorzuschreiben
scheint, wie Ministerposten in Kiew zu besetzen seien. Die "Komsomolskaja
Prawda" veröffentlichte den "schockierenden Briefwechsel" am 5.
Juli. Dabei ist das Schreiben leicht als Fälschung zu erkennen: Das Englisch
ist holprig, der Senator wird als "assistant minority leader"
bezeichnet, obwohl "assistant Democratic leader" richtig wäre.
Die Meldung
über die vermeintlich erschossene Journalistin Walenko hatte ihren Ausgang bei
Facebook genommen. Mehrere russische Medien verweisen auf den Eintrag des
Nutzers Juri Kot, der als Erster über die Schüsse berichtet habe. Sie zitieren
ihn als "Persönlichkeit des öffentlichen Lebens". Sein Wikipedia-Eintrag ist
da ausführlicher: Kot war Sprecher bei der Amtseinführung des 2014 gestürzten
ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch. Während der Demonstrationen
auf dem Maidan trat er als Moderator des "Anti-Maidan" in
Erscheinung, einer Janukowytsch-treuen Gegenkundgebung.
Die
Walenko-Meldung wurde auch im Westen verbreitet, besonders eifrig von
Twitter-Nutzern, die Russlands Position in der Ukraine-Krise teilen.
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