Sich über die russische Einreiseverbots-Liste
zu entrüsten, ist doppelt naiv. Hilfreicher wäre es, sich für das zu wappnen,
was kommt. Seit Wochen gibt es Hinweise darauf, dass Russland Truppen und
schweres Gerät für den Donbass zusammenzieht.
Kommentar von Julian Hans
Die Empörung über die russische Stopp-Liste
gegen 89europäische Politiker, Nato-Vertreter und Personen des
öffentlichen Lebens ist doppelt naiv. Dass es eine solche Liste gibt, ist seit
September bekannt, als die
Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, am Flughafen
Scheremetjewo abgewiesen wurde.
Dass die
Liste jetzt öffentlich wurde, ist sogar ein Fortschritt. Bisher
mussten alle, die auf die ein- oder andere Weise mit dem Konflikt um die Ukraine zu tun
hatten, damit rechnen, abgewiesen zu werden. Jetzt wissen die Betroffenen, was
sie erwartet und brauchen erst gar keinen Flug zu buchen.
89 EU-Politiker auf
"schwarzer Liste""Das ist kein Beitrag zur
Entspannung"
89 Personen stehen auf
der Liste, darunter acht Deutsche: Moskau hat öffentlich gemacht, welche
EU-Politiker nicht nach Russland reisen dürfen. Bundesaußenminister Steinmeier
wählt deutliche Worte in Richtung Kreml.
Die Veröffentlichung dürfte nicht zuletzt
Ergebnis des Protests deutscher Diplomaten nach der Abweisung
des CDU-Außenpolitikers Karl-Georg Wellmann an Pfingsten sein.
Tit for Tat gehört zu den Sitten der
Diplomatie
Der zweite Grund, warum die Empörung peinlich
ist, sind die Sitten der Diplomatie. Tit
for Tat, Zug um Zug, ist ein seit Sowjetzeiten geübtes Mittel im Machtkampf
zwischen Moskau und dem Westen. Es wäre ein Wunder, wenn das Moskauer
Außenministerium ausgerechnet jetzt darauf verzichtet hätte.
Vergeltungsmaßnahmen gehören zur Diplomatie wie der Streik zur Gewerkschaft.
Sie sind oft ärgerlich und in der Sache wenig nützlich, zeigen aber eines: Wir
meinen es ernst.
Waren die Einreisesperren der Europäer also
nutzlos? Dass Personen, die einen Krieg angezettelt haben, nicht mehr in Europa
willkommen sind, ist nur logisch. Beim einen oder anderen Namen kann man sicher
darüber streiten, welchen Sinn es macht, ihn auf die Liste zu setzen. Dass
Moskau als Antwort eine eigene Liste aufstellen wird, war aber zu erwarten.
Statt sich darüber aufzuregen, wäre es viel hilfreicher, sich für das zu
wappnen, was kommt.
Wie intelligente Sanktionen aussehen könnten
Seit Wochen gibt es Hinweise darauf, dass Russland neue Truppen und schweres Gerät
für den Donbass zusammenzieht. Das wäre der richtige Moment, um von vornherein
zu sagen, was der Preis sein wird, den Russland für eine neue Offensive der
Separatisten zu zahlen hätte.
Statt symbolisch Personen die Einreise zu
verweigern, die häufig ohnehin nie vorhatten, nach Europa zu reisen, oder mit
einer Abschaltung des Swift-Systems die Konfrontation zu eskalieren, wäre ein
transparentes und intelligentes Verfahren sinnvoll, das jetzt angekündigt
werden kann. Etwa durch die Drosselung der Öl-Importe: Für jedes Dorf und jeden
Quadratkilometer den die Separatisten über die im Februar in Minsk vereinbarten
Grenzen hinaus erobern, werden die Importe um einen bestimmten
Faktor gedrosselt.
Die Einnahmen aus dem Ölexport sind für den
russischen Haushalt fünf Mal so wichtig wie die aus Gas. Und Öl kann
vergleichsweise einfach von anderen Anbietern auf den Weltmärkten gekauft
werden. Moskau könnte dann selbst steuern, wie hart die Sanktionen ausfallen.
Niemand könnte klagen, die russische Wirtschaft werde vom Westen "in die
Knie gezwungen". Gibt es keine Offensive, bleibt alles beim Alten. Die
Kosten weiterer Eroberungen aber wären von vornherein bekannt.
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